Liebe Leser:innen,
nach 106 Heften in 26 Jahren zu vielen verschiedenen Themen, die die musikpädagogische Fachcommunity bewegen, widmet die DMP – anschließend an die Überblickshefte Was ist Popmusik? (DMP 15) sowie Pop für Kinder (DMP 67) – zum dritten Mal eine ganze Ausgabe der Popmusik und legt dabei erstmalig einen Schwerpunkt auf das Werk einer Pop-Künstlerin und dessen (musik)pädagogisches Potenzial. In diesem Heft nehmen wir Beyoncé Knowles-Carter in den Blick, was aus mehreren Gründen relevant, aktuell und lohnenswert ist: relevant deshalb, weil Beyoncé eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Künstler:innen unserer Zeit ist – musikalisch, ästhetisch, kulturell und politisch; aktuell, da sie als eine Art Dauerbotschafterin wichtige Themen wie Gleichberechtigung und Rassismus für eine diversitätssensible Musikpädagogik bereitstellt. Lohnenswert ist die Auseinandersetzung aber nicht nur aufgrund außermusikalischer Merkmale, sondern Beyoncés wechselndes und mitunter virtuoses Spiel mit verschiedenen Stilen ist auch Ausweis eines breitgefächerten Kulturverständnisses und einer komplexen künstlerischen Praxis. Beyoncés Wirken hat die reine ,U-Sphäre‘ längst verlassen und kann als Resonanzraum für Fragen von Identität, Macht, Geschlecht, Herkunft, Medialität und sozialer Gerechtigkeit verstanden werden. Dass sich die deutschsprachige Musikpädagogik mit Beyoncé kaum systematisch auseinandergesetzt hat, ist angesichts der internationalen Beachtung fast erstaunlich. Umso mehr freut es uns, diesem Desiderat mit dem aktuellen Themenheft zu begegnen.
Das Heft beginnt mit einem Beitrag der (Mit-)Begründerin der Beyoncé-Studies Christina Baade. Diese beleuchtet in ihrem Beitrag Teaching With Beyoncé das Feld als dynamisches Forschungsgebiet wie auch als pädagogische Praxis und gibt dabei einen Einblick in die Arbeit mit Studierenden an einer kanadischen Universität. Peter Klose beschäftigt sich mit der Methodik der Popmusik-analyse zwischen wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse und didaktisch begründetem Lernziel am Beispiel von Beyoncé. Er zeigt, wie unterschiedliche Formen des Analysierens – musikwissenschaftlich, musikpädagogisch, hörend – ineinandergreifen, welche Potenziale gerade die Musik Beyoncés für eine didaktisch fundierte Popmusikanalyse bietet und dass Schüler:innen eine gleichberechtigte Rolle im Diskurs zusteht. Daniela Bartels und Christoph Merkel schlagen eine Brücke von der angloamerikanischen ,academia‘ in die deutsche Schulpraxis: Sie erläutern anhand eines Projektes mit Achtklässler:innen, wie Jugendliche die Pop-Künstlerin Beyoncé wahrnehmen – was sie an ihr interessiert, aber auch irritiert. Mit einer dezidiert intersektionalen Perspektive widmet sich Sezgin Inceel der Stimme Beyoncés. In seinem Beitrag You Won’t Break My Soul entwickelt er eine vielschichtige Kartierung: Stimme als Klang, als kulturelle Positionierung, als Sprache und als Botschaft. Gerade die Ambivalenzen, die zwischen Widerstand und Affirmation oszillieren, erweisen sich hier als zentrale Lernanlässe für eine kritisch-reflektierte Musikpädagogik. Anna Lena Möller versteht in ihrem Beitrag Beyond Beyoncé’s Beats Beyoncés Popmusik als Reflexionsfläche medialer Dispositive. Anhand konkreter Unterrichtsvignetten zeigt sie, wie sich Musikvideos und visuelle Alben als Ausgangspunkte nutzen lassen, um Fragen nach Gender, Medialität und Digitalität in schulischen Kontexten zu verhandeln. So verbindet sie Popmusikanalyse mit kulturpädagogischen Reflexionen und zeigt, dass es die schulische Auseinandersetzung mit kulturell relevanten Fragen braucht, um bestehende Ungleichheiten und Wissensordnungen in Frage stellen und ggf. verlernen zu können. Den Thementeil beschließt ein Beitrag von Lisa Werner, die einen spezifischen Fokus auf institutionelle Vermittlungsarbeit legt. Ihr Beitrag untersucht Potenziale dialoggruppenspezifischer Popmusikvermittlung als Teil der Musikvermittlungsarbeit von Kulturorchestern mit Blick auf die Grundschule und den Bezug zur Musik von Beyoncé. Damit eröffnet sie eine bislang wenig beachtete Perspektive: die Integration popmusikalischer Inhalte – hier konkret Beyoncés Songs – in die musikvermittelnde Praxis von Orchestern und die Entwicklung neuer Konzert- und Vermittlungsformate mit Fokus auf die Dialoggruppe Grundschüler:innen.
Die Ausgabe 107 wird durch zwei freie Beiträge ergänzt: Christoph Schuller setzt sich mit dem Potenzial der Minimal Music im Kontext eines inklusiven Musikunterrichts auseinander. Johannes Hasselhorn und Miriam Knebusch widmen sich in ihrem Beitrag dem Thema Sexuelle Belästigung an Musikhochschulen. Sie präsentieren die Ergebnisse einer Onlinebefragung von Studierenden und zeigen auf, welche für Musikhochschulen spezifischen Strukturen sexuelle Belästigung begünstigen können. Das Magazin umfasst zwei Rezensionen von Thade Buchborn und Hans-Ulrich Schäfer-Lembeck zu Veröffentlichungen von Chris Kattenbeck und Stefan Orgass.
Fabian Bade (als Gastmitherausgeber dieses Heftes),
Rebekka Hüttmann, Oliver Krämer und Annette Ziegenmeyer
DMP 107: Beyoncé
Beyoncé
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Christina Baade
Beyoncé Studies
Teaching with Beyoncé -
Peter Klose
Methodik der Popmusikanalyse zwischen wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse und didaktisch begründetem Lernziel am Beispiel von Beyoncé -
Daniela Bartels & Christoph Merkel
Beyoncé im Musikunterricht
Eine Reise von der angloamerikanischen ‘academia‘ nach Neumünster -
Sezgin Inceel
You Won’t Break My Soul
Eine intersektionale Kartierung von Beyoncés Stimme mit Perspektiven für die Musikpädagogik -
Anna Lena Möller
Beyond Beyoncé`s Beats
Popularmusik als Reflexionsfläche medialer Dispositive im Musikunterricht -
Lisa Werner
Potenziale dialoggruppenspezifischer Popmusikvermittlung als Teil der Musikvermittlungsarbeit von Kulturorchestern
Mit Blick auf die Grundschule und den Bezug zur Musik von Beyoncé Giselle Knowles-Carter
Freie Beiträge
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Christoph Schuller
Minimal Music
Maximale Chancen für inklusive Musikpädagogik -
Johannes Hasselhorn & Miriam Knebusch
Sexuelle Belästigung an Musikhochschulen – Struktur- oder Kulturproblem?
Musikhochschulspezifische Einflüsse auf die Bewertung von sexueller Belästigung durch Dozierende
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