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Liebe Leser:innen,


wenngleich Sprache eine grundlegende Rolle für die Vermittlung von Bildungszielen spielt, hat sich die Musikpädagogik dem Thema einer ‚sprachensiblen Musikpädagogik‘ bisher noch wenig gewidmet. Die Ergebnisse nationaler und internationaler Vergleichstests wie PISA, IGLU, VERA u. a. sowie vorschulische Sprachstandsfeststellungen weisen darauf hin, dass die sprachlichen und schriftsprachlichen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen kontinuierlich abnehmen. Dies hat Folgen für das Erreichen sprachlich vermittelter musikbezogener Bildungsziele und erfordert eine Sensibilisierung und Professionalisierung von Musiklehrenden im Umgang mit Sprache als einem wesentlichen Medium des Musikunterrichts.
Auf empirischer Ebene existieren bislang allerdings nur wenige Forschungsarbeiten, die Aspekte eines sprachsensiblen Unterrichts untersuchen, wobei der Fokus auf dem schulischen Musikunterricht liegt. Weder für den Bereich der Instrumental- und Vokalpädagogik noch für andere außerschulische musikpädagogische Angebote liegen bisher entsprechende Studien vor.
Die aktuelle Ausgabe der Diskussion Musikpädagogik widmet sich daher diesem noch jungen pädagogischen Forschungs- und Handlungsfeld und propagiert Sprachbildung nicht nur als Aufgabe des schulischen Musik­unterrichts, sondern auch als wichtiges Kriterium außerschulischer musikpädagogischer Angebote. Begründet wird diese Forderung nach einer grundsätzlich sprachsensiblen Musikpädagogik mit dem Erreichen sprachlich vermittelter musikbezogener Bildungsziele. Dabei wird der Bogen vom schulischen Musikunterricht mit entsprechenden Konsequenzen für die Musiklehrkräftebildung über Sprachbildung in außerschulischen musikpädagogischen Angeboten bis hin zu den Möglichkeiten einer musikorientierten Sprachförderung gespannt.
Das Heft wird mit zwei grundlegenden Beiträgen zum Thema eingeleitet. Ausgehend von der defizitären Forschungslage begründet Anja Bossen die Notwendigkeit einer sprachsensiblen Musikpädagogik. Hierbei schaut sie bewusst über den schulischen Musikunterricht hinaus und gibt differenzierte Hinweise zur praktischen Umsetzung einer sprachsensiblen Musikpädagogik in verschiedenen Unterrichtssettings.
Mathias Sieberkrob fasst den theoretischen Hintergrund von Sprachbildung aus verschiedenen fachwissenschaftlichen Perspektiven zusammen und benennt die Ziele eines sprachbildenden Fachunterrichts. Sein Artikel trägt dazu bei, die vielen im Kontext von Sprachbildung verwendeten Begriffe und Konzepte zu strukturieren und einzuordnen.
Joana Grow und Kerstin Heberle arbeiten die Komplexität und Bedeutung einer interaktionsbezogenen Perspektive für das Planen und Entwickeln von sprachsensiblem Musikunterricht heraus. Mit einer Videoanalyse untersuchen sie Schüler:innen-Interaktionen beim Musik-Erfinden im Unterricht und berücksichtigen dabei besonders den Wortspeicher als ein Medium des Scaffoldings.
Der Beitrag von Johanna Wille beschäftigt sich mit dem Erwerb fachsprachlicher Kompetenzen. Die Autorin fasst die Ergebnisse einer explorativen Studie zur Analyse des Fachsprachenwortschatzes in Musikschulbüchern der neunten und zehnten Klasse zusammen und leitet daraus Forderungen für die Ausbildung von Musiklehrenden sowie für den Umgang mit Fachsprache beim Erstellen von Musiklehrbüchern ab.
Die Rolle von Sprache als Medium im Musikunterricht wird im Beitrag von Karla Stolle beleuchtet. Sie zeigt Möglichkeiten der Ausgestaltung eines sprachsensiblen Musikunterrichts mit Hilfe sprachdidaktischer Methodenwerkzeuge auf und illustriert deren Einsatz anhand von vier Beispielen, die auch für eine Differenzierung in Lerngruppen mit heterogenem Sprachstand geeignet sind.
Jana Buschmann stellt einen Leitfaden zur Formulierung von sprachsensiblen Aufgabenstellungen in der Textarbeit vor, der auf dem Instrument isaf (Instrument zur sprachbildenden Analyse von Aufgaben im Fach von Caspari, Andreas, Schallenberg, Shure & Sieberkrob, 2017) basiert, das im Berliner Projekt Sprachen-Bilden-Chancen (2014–2017) entwickelt und für den Musikunterricht angepasst wurde. Dieser Leitfaden wurde im Rahmen der Musiklehrer:innenausbildung im Praxissemester an der Universität Potsdam erprobt.
Ausgehend von der besonderen Verflechtung von Musik und Sprache stellt Björn Tischler in ein erlebens- und verstehensbasiertes Konzept vor und zeigt Überlegungen auf, wie Musiklehrende zunehmenden Herausforderungen sprachlicher Bildungs- und Fördernotwendigkeit im Musik­unterricht gerecht werden können.
Der Beitrag von Sebastian Herbst fokussiert Aspekte verbalsprachlichen Handelns im Instrumental- und Gesangs­unterricht. Der Artikel enthält vielfältige Impulse, die zum Nachdenken über die Gestaltung und Funktion verbalsprachlichen Handelns im Unterricht sowie zur Reflexion der eigenen Unterrichtssprache anregen und so für eine aufmerksame Verwendung von Sprache im Instrumental- und Gesangsunterricht sensibilisieren.
Schließlich erwartet Sie im Magazinteil dieser Ausgabe ein Einblick in die musikpädagogische Tagung Musik lehren und lernen – Philosophische Perspektiven, die vom 30.–31. März 2023 am Hanse-Wissenschaftskolleg in Delmenhorst stattfand. 
Wir sind sehr dankbar, dass wir Anja Bossen als Gastmitherausgeberin für dieses besondere Heft gewinnen konnten. Aufgrund ihrer umfangreichen und langjährigen Expertise in Bezug auf dieses Themengebiet hat sie das Heft in seiner inhaltlich-konzeptionellen Struktur entschieden geprägt.

 

Anja Bossen (als Gastmitherausgeberin dieses Heftes),
Rebekka Hüttmann, Oliver Krämer, Annette Ziegenmeyer

DMP 98: Sprachsensible Musikpädagogik

Artikelnummer: DMP-Heft-98
13,40 €Preis
inkl. MwSt. |
  • Sprachsensible Musikpädagogik

    • Anja Bossen
      Sprachsensibler Unterricht als musikpädagogische Aufgabe
    • Matthias Sieberkrob
      Konzepte und Ziele der sprachlichen Bildung
      Ein Überblick
    • Joana Grow & Kerstin Heberle
      „Für diesen langen schwarzen Strich kann ich das hier nehmen“
      Schüler:innen-Interaktionen beim Musik-Erfinden aus sprachsensibler Perspektive
    • Johanna Wille
      Fachsprache im Musikunterricht
      Eine explorative Studie zur Analyse des Fachsprachen­wortschatzes in Musikschulbüchern der neunten und zehnten Klasse
    • Karla Stolle
      Sprache als Medium im Musikunterricht
    • Jana Buschmann
      Vermittlung sprachsensibler Aufgabenstellungen in der Musik-Lehramtsausbildung
      Textbezogene Lernaufgaben mithilfe des isaf-Instrumentes im praktikumsbegleitenden Seminar üben
    • Björn Tischler
      Hast du Töne?!
      Sprache musikalisch erleben und verstehen
    • Sebastian Herbst
      Sprachsensibler Instrumental- und Gesangsunterricht
      Perspektiven auf verbalsprachliches Handeln beim Musizierenlehren und -lernen
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