Liebe Leserinnen und Leser,
in der griechischen Kultur war es offenbar das Hören, in der römischen mehr das Sehen oder Schauen, die den Umgang und das Leben der Menschen prägten. Eine Binsenwahrheit aber ist es, dass für den Umgang mit Musik das Hören die Grundlage jeglichen Musizierens, Erfindens, Genießens, Verstehens ... bildet. Zwar gab und gibt es immer wieder Versuche, die Konstruktion von Klanggebilden auf die Basis rechnerischen Kalküls zu stellen – Musik wird dann eine stille (oder stumme) Expertenkunst. Auch kann man inneres Hören von ‚hörbarem’ Hören unterscheiden, real-lautes Hören von Hörvorstellungen und von stummem Vorhören (zum Beispiel von Dirigenten vor ihrem Einsatz), bevor die Musik nach außen dringt.
In der Soziologie, der Psychologie und Pädagogik des Hörens unterscheidet man das Weghören, das selektierende Hören, Hören im Hinter- oder Untergrund, Hörvorlieben, das Hören des eigenen Musizierens, Hören als Kommunikation, Hören bei Proben und im Ernstfall.
Für die Musikpädagogik ist die Beschäftigung mit dem Hören und mit den Möglichkeiten des Hörenlernens beinahe ihr Hauptgegenstand. Immer geht es darum, das „Hörmaterial“ und andererseits die Werkgebilde und spontanen Einfälle genieß- und verstehbar zu machen. Nicht zuletzt aber ist das Hören ein seelischer Vorgang, mit welchen Mitteln es auch betrieben wird und auf welche Nuancen und Bedeutungen der Musik es sich auch richtet.
Angesichts des Umfangs des Themas „Hören“ kann unsere Zeitschrift nur auf ausgewählte Aspekte hinweisen und sie erörtern. Jürgen Oberschmidt bietet eine Rundumschau an, in deren Mittelpunkt er an die sehr bedenkenswerten Hörkategorien von Siegfried Borris erinnert. Wolfgang Lessing widmet seinen Text (mehr) dem Hören beim Musizieren, Jonas Olejniczak der Achtsamkeit als Bedingung für gelingendes Hören, Oliver Krämer widmet sich einer Rehabilitierung des Musikhörens im pädagogischen Kontext und Dorothee Barth schlägt eine Brücke zu dem, was man Weltmusik nennen könnte, oder dem Hören in anderen Ethnien.
Christoph Richter
DMP 78: Hören
Das Wort zum zweiten Quartal
- Christoph Richter
Gedanken zur Digitalisierung des Umgangs mit Musik und des Musikunterrichts
Das Wort zum zweiten Quartal
Hören
- Jürgen Oberschmidt
Wie uns vor lauter „Sehen“ das „Hören“ vergeht
Über das Zusammenspiel der Sinne, Sinn und Sinnlichkeit - Wolfgang Lessing
Der antwortende Hörer
Musikalisches Hören als Fremderfahrung - Jonas Olejniczak
Achtsames Hören im Musizierunterricht - Oliver Krämer
Sich hörend in die Welt hineindehnen
Versuch einer Rehabilitierung des Musikhörens im pädagogischen Kontext - Dorothee Barth
Neue Geschichten aus dem Morgenland
oder: Wie der Orientalismus (weg-)gehört werden kann
Freie Beiträge
- Ivo Ignaz Berg
Ein absolut unvollkommenes Stückchen Papier
Über das, was man an der Musik nicht aufschreiben kann – und warum der Blick in die Noten trotzdem lohnt - Tobias Hömberg & Oliver Krämer
Von eins bis zehn im eigenen Takt
Wege des Lernens im neuen Rahmenlehrplan Musik für Berlin und Brandenburg - Tobias Hömberg
Plan-Spiele
Anmerkungen zu den Bedingungen kompetenzorientierter Lehrplanarbeit - Philipp Reisner
Europäische Musikgeschichte anhand populärer musikalischer Formen
- Christoph Richter