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Liebe Leserinnen und Leser,

 

schon immer gab es überall, wo Musik praktisch und im Lebenszusammenhang betrieben wurde, auch Anregungen und Unterweisungen für das Musizieren und Erfinden von Musik – für das Singen, das Instrumentalspiel, für das Tanzen und Komponieren, für die Bemühungen, das Klingende in der Natur zu erforschen, es zu systematisieren, es nachzuahmen und es zur Grundlage ethischer Lebensführung zu machen. Manche dieser pädagogischen Hilfen und Anregungen erwuchsen gleichsam beim und aus dem Umgang mit Musik im Alltagsleben, andere entstanden aus methodischen oder theoretischen Überlegungen. In vielen Völkern entstand Musikpädagogik als eine Sitten- und Erziehungslehre. Außer der reichhaltigen musikethnologischen Literatur hierzu bietet auch noch heute die „Geschichte der Deutschen Schulmusik“ von Georg Schünemann (seit 1928 in Berlin, später in Köln in vielen Auflagen erschienen) einen hilfreichen Überblick hierzu.
Aus dem ursprünglichen Zusammenhang und der Gleichzeitigkeit von Musizieren (vor allem: Singen) und Lernen – etwa an Latein- und Klosterschulen, aber auch an den Tanzschulen im alten Ägypten oder in der meditativen Einsamkeit indischer Klöster und anderswo – entwickelte sich einerseits eine partielle und zunehmende Trennung von Lernen und „Machen“, verbunden mit einer Verselbständigung der Musikpädagogik, und andererseits eine pädagogische Spezialisierung der verschiedenen Bereiche des Musiklebens (singen, blasen, trommeln ...) Sie betrifft bis heute das Posaunenchorwesen, die Militärmusik, das Chorwesen in verschiedenen Facetten, die Spielmannszüge und Saxophon-„Fanfaren“, vor allem in weitem Umfang das Musizieren in Bands jeder Art, auch bisweilen das Musizieren nach Art historischer Aufführungspraxis.
Während in diesen und weiteren Verbänden und Institutionen das Musizieren mit dem Lernen eng verbunden ist, kann man seit längerer Zeit eine zweite Entwicklungslinie beobachten, die nicht von der Musik, von bestimmten Instrumenten und dem Musizieren ausgeht, sondern das ‚Musiklernen’ auf allgemeine Bildungs-Wünsche oder auf allgemeine Situationen und (Lebens)-Ziele oder -Bedingungen richtet: auf die Gruppe der Säuglinge mit ihren Eltern, auf Kinder in Kindertagesstätten, auf sogenannte „Behinderte“, auf Konzepte, nach denen angeblich das Instrumentalspiel die Intelligenz und Kommunikationsfähigkeit steigert, auf viele Arten der Musikvermittlung, auf die wachsende Gruppe der alten (und dementen) Menschen und andere.
Für die Möglichkeiten, solche Gruppen zum Umgang mit Musik in spezieller Weise anzuregen, entstehen zur Zeit spezielle didaktische und methodische Konzepte in großer Zahl. Auf diese Weise wächst das Feld der Musikpädagogik in Ausbildung und Berufsanwendung erheblich in die Breite (auch in die musikalische und menschliche Tiefe?).
Das vorliegende Themenheft widmet sich einer bestimmten Art dieser neuen Musikpädagogik – der Musikgeragogik. Mit Hilfe von Kai Marius Schabram, einem der Hauptvertreter dieser Spezialisierung, können wir ein Heft vorstellen, für dessen Beiträge Autorinnen und Autoren gewonnen werden konnten, deren Interessen und didaktische Überlegungen sich auf das Musizieren mit alten Menschen richten.

 

Christoph Richter

DMP 62: Musikgeragogik

Artikelnummer: DMP-Heft-62
13,40 €Preis
inkl. MwSt. |
  • Das Wort zum zweiten Quartal

    • Christoph Richter
      Verlust und Gewinn. Verzicht auf die Referendarzeit?
      Das Wort zum zweiten Quartal

    Musikgeragogik

    • Theo Hartogh & Hans Hermann Wickel
      Musikgeragogik
      Grundlagen, Arbeitsfelder, Aus- und Weiterbildung
    • Barbara Metzger & Barbara Busch
      Elementares Musizieren mit älteren Menschen
      Ein Aufgabenfeld für Musikpädagogen
    • Kai Marius Schabram
      „Gemeinsam musizieren“ – „gemeinsam altern“
      Bildungstheoretische Überlegungen zur Musikgeragogik
    • Reinhild Spiekermann
      Ältere Menschen im Instrumentalunterricht
      Didaktische Impulse
    • Kerstin Jaunich
      „Ganz neue Wunder“
      Erfahrungen als Musikgeragogin

    Freie Beiträge

    • Peter Schmitz
      Philosophie und Musikpädagogik
      Musikwerke und ihre Sinnfelder
    • Oliver Krämer
      Musikunterricht zwischen handwerklicher und künstlerischer Orientierung
    • Jens Knigge
      Transfereffekte, Kompetenzen oder ästhetische Erfahrung?
      Musikpädagogische Anmerkungen zur Wirkungsforschung in der kulturellen Bildung
    • Ivo Ignaz Berg
      Zwischen Struktur und Ausdruck
      Musikalische Spannung und die Herausforderung ihrer Vermittlung
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