Liebe Leserinnen und Leser,
die Aufgabenstellung und Zielsetzung unserer Zeitschrift, allgemeinverständliche wissenschaftliche musikpädagogische Themen mit der Erörterung angewandt-praktischer Musikpädagogik zu verbinden oder auseinander hervorgehen zu lassen, bedeutet immer wieder eine schwierige Herausforderung. Dabei genügt es nicht, wechselweise mehr der musikpädagogischen Wissenschaft zu dienen oder mehr Unterrichtsanregungen anzubieten. Die selbstgestellte Aufgabe richtet sich vielmehr auf Möglichkeiten, einerseits theoretische Überlegungen bzw. Konzepte als Diener der Unterrichtspraxis plausibel, und andererseits, praktische, in der Anwendung erprobte Erfahrungen in ihren theoretischen Grundlagen verstehbar zu machen.
Die hier vorgelegte Ausgabe mag für diese Schwierigkeit ein Beispiel sein. Nachdem sich die sechzigste Ausgabe (!) von „Diskussion Musikpädagogik“ mit den Entwicklungen und entstehenden Möglichkeiten europäischer und internationaler Zusammenarbeit unseres Faches beschäftigt hatte, bietet das Thema dieses Heftes einen Kontrapunkt an. Es beschäftigt sich mit einem wichtigen angewandten musikpädagogischen Bereich: der Chorarbeit. Dabei zeigen sich in zwei Gebieten Entwicklungen, von denen man in meinen eigenen Lehrerzeiten noch nicht einmal träumen konnte.
Das eine Gebiet besteht in der Vielfalt der Ziele einer Chorarbeit, der Arten des Musizierens im Chor, der Zuwendung zu musikalischen Spezialitäten: von Obertonsingen bis zu Arrangements von Popmusik für Chöre; von den traditionellen Laienchören und ihren wichtigen Aufgaben für die allgemeine Kommunikation von Menschen bis zum Chorsingen gemäß den Regeln historischer Aufführungspraxis; von experimentellem Singen und Spielen im kleinen Chor bis zu den singenden Massen, wenn es um Beethovens Freude geht.
Das andere Gebiet betrifft die Beteiligung der Sängerinnen und Sänger am Chorleben und an der Chorarbeit. In vielen Chören sind Sänger nicht mehr, wie früher häufig, das „Stimmvieh“, das brav macht, was der „regens chori“ verlangt. Vielmehr werden sie heute an Interpretationsfragen beteiligt (Beitrag Schönherr), übernehmen die Einführung in die Musik (Zwiener), kümmern sich um Arrangements und Verwaltungsaufgaben und anderes mehr.
So war es nicht schwer, Beiträge für dieses Heft zu finden, schwieriger war es, eine bunte Auswahl zu treffen, und manchen der Autorinnen und Autoren musste ich die Angst vor dem Schreiben austreiben.
Der Bereich der freien Beiträge, der in der letzten Ausgabe stiefmütterlich behandelt werden musste, ist diesmal wieder reicher bestückt: Die Serie der Texte früherer Musikpädagogen führen wir mit einem Text von Georg Schünemann fort. Neue Aspekte des Musikverstehens bietet ein Ausflug in die Präsenzforschung, und ein Bericht über das neue „Studium generale“ an der Universität der Künste in Berlin führt mehr in die Gegenwart unseres Faches.
Das Wiedererwachen des „Studium generale“ und die nicht enden wollende Reform des Lehrerstudiumswerden uns noch länger beschäftigen: Wie könnte eine Allgemeinbildung für die technisch hochgerüsteten Instrumentalisten aussehen?
Christoph Richter
DMP 61: Chorarbeit – Chormusik
Das Wort zum ersten Quartal
- Christoph Richter
Wetternachrichten
Das Wort zum ersten Quartal
Chorarbeit – Chormusik
- Daniel Zwiener
Der weite Blick
Plädoyer für didaktisches Konzipieren von Chorarbeit am Beispiel eines Jugendchores aus der sächsischen Provinz - Isabelle Heiss
„Stimmt mit ein“
ein Musikvermittlungs-Chor-Pilotprojekt - Christoph Schönherr
Chorarbeit
zwischen kollektivem Musik-Erleben und Selbstvergewisserung - Michael Betzner-Brandt
Stufen der Partizipation im Chor
Ressourcen der Sänger nutzen - Marc Mönig
„Alles mit dem Mund“?!
Die Musik von A-cappella-Gruppen im Unterricht - Cathleen Lüdde
Arrangieren populärer A-cappella-Chormusik
Serie: Musikpädagogische Texte aus früherer Zeit
- Georg Schünemann
Über Musikerziehung - eingeleitet und kommentiert von Dietmar Schenk
Freie Beiträge
- Christoph Khittl
Präsenzforschung und Musikpädagogik
Zur Theorie der musikalischen Situation nach Günther Anders (1902 – 1992) - Gundel Mattenklott
Diversität im Dialog
Ein Studium generale für die Universität der Künste Berlin
- Christoph Richter