Liebe Leserinnen und Leser,
schon bevor der Tonfilm erfunden war, trug Musik, vorgetragen von einem Klavierspieler oder von einem kleinen Ensemble, zur Erläuterung, Beschreibung, Charakterisierung und Stimmung des Filmgeschehens und zu seiner Wirkungssteigerung bei. Als das Klavierspiel zum Film überflüssig wurde, gab es ernsthafte Diskussionen und Klagen über den Verlust eines Musikerberufs, z.B. in der Zeitschrift „Die Musikpflege“, die Eberhard Preußner seit 1930 heraus gab. Ausgeglichen wurde dieser Verlust durch die Gründung der Filmorchester, die ihre wichtigen und prägenden Aufgaben bis heute erfüllen. Sie sind aus der Musikgeschichte und aus deren ästhetischen und psychologischen Zweigen nicht weg zu denken: Es gab und gibt bis heute eine fruchtbare Wechselwirkung zwischen manchen Strömungen des Komponierens (vom Impressionismus über Mahler bis ins zwanzigste Jahrhundert, um eine grobe Linie zu ziehen) und filmtypischen Kompositionen, die personell wie kompositionstechnisch von der „E-Musik“ sich abzweigten und sich zu einer selbständigen Gattung entwickelte, mit eigenen Mitteln und Wirkungen. Die Emigrationswelle aus Europa in die USA vom Beginn der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts gab dieser Entwicklung kräftige Anregungen.
Die Tatsache, dass Filme sich zum Kennenlernen von Musik anbieten, wenn man im Gemenge der filmischen Geschehnisse auf sie besonders achtet, muss nicht eigens erörtert werden. Bekannt ist auch, dass Musik zu Filmen oder in Filmen die Reflexion über die verschiedenen Funktionen verdeutlicht, die Musik in Bezug auf Gegenstände, Personen, Handlungen, Ereignisse und Stimmungen erfüllen kann.
So erklärt sich, dass man auf dem Wege über die Musik sowohl etwas über die Kunstgattung Film lernen kann, als auch, dass man über die Mittel, deren sich Filme bedienen, etwas über Musik lernen kann. Diese doppelte Entdeckungs- und Erfahrungsrichtung ist es, die den Musikfilm zu einem beliebten und wirksamen Gegenstand des Musikunterrichts macht.
Sinnvoll ist es, über Filmmusik, Musikfilme, Musik in Filmen und verfilmte Musikgeschichten systematisch nach zu denken.
Da gibt es Musik, die das Geschehen und das Dargestellte im Film unterstützt, eigens hervorholt, in seinen Wirkungen verstärkend oder kontrastierend begleitet. Das gilt, wenn Spannung aufgebaut werden, wenn ein Wechsel von Turbulenz zu Idylle betont, wenn ein Weg durch Unheilvolles bekräftigt werden soll. Zu dieser Funktion und zu diesem Typus der Musik zu filmischen Geschehen gibt es unzählige Beispiele.
Da gibt es Filme, die Musik und musikalisches Geschehen zum Thema haben. Dazu gehören die früher beliebten Operettenverfilmungen, die heutigen Musicalfilme und verfilmte Operninszenierungen.
Zu einer Nachbargruppe gehören Filme, die das Leben und die Werke von Komponisten zum Gegenstand haben. Beliebte Komponistenfilme nehmen oder nahmen sich Wolfgang Amadeus Mozart zu Gegenstand, zeichneten oder zeichnen immer aufs Neue das Leben und Schicksal von Franz Schubert oder Ludwig van Beethoven und - je nach Jubiläumsjahren - Robert Schumann und seine Frau Clara.
Was die Musik im Film oder für Filme betrifft, nutzen viele die Kompositionen ihrer Protagonisten. Andere bedienen sich einer Musik, die eigentlich nicht für den Gebrauch in Filmen entstanden ist. Eine spezielle Kompositionskunst für Filme ist von der Leitmotivtechnik übernommen, die in Opern des 19. Jahrhundert beliebt wurden (Carl Maria von Weber, Richard Wagner). Manche „klassischen“ Kompositionen sind überhaupt erst durch ihre Verwendung in Filmen bekannt geworden und haben durch diese Verwendung eine eigene Interpretation erfahren. Das gilt zum Beispiel für die Thomas Mann-Verfilmung „Der Tod in Venedig“ oder für den Mozart-Film „Amadeus“. Selbst in dem modischen Filmsujet, das von Schule und Lehrer handelt, wird man fündig.
Die ausgewählten Beispiele zu diesem schier unerschöpflichen und beliebten Thema, die diese Ausgabe der DISKUSSION MUSIKPÄDAGOGIK enthält, geben Anregungen, wie mit der Musik im Film, dem Film über Musik und der Filmmusik sinnvoll umzugehen ist.
Christoph Richter
DMP 47: Musikfilme
Das Wort zum dritten Quartal
- Werner Hahn
Laudatio für Hildegard Krützfeldt-Junker
zum 80. Geburtstag
Musikfilme
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Schubert in der Schulstube
oder: Warum Komponistenfilme im Musikunterricht? - Georg Maas
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Das Filmmusical „Across the Universe” (2007) - Georg Maas
Der Musikfilm
Eine sehr persönliche Auswahl - Robert Lang
Musiklehrer im Spielfilm
Serie: Musikpädagogik in Nordamerika - J. Scott Goble
A pragmatist perspective on the historical roles of music education in the United States
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Die Bedeutung von Kontinuität und Diskontinuität
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