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Liebe Leserinnen und Leser,

 

als ich auf die Idee kam, in unserer Zeitschrift Berichte über musikpädagogische Seminare zusammenzustellen – über Planung, Verlauf und Kritik, wusste ich zunächst nicht, ob es sinnvoller sei, mit solchen Berichten ein Themenheft zusammenzustellen oder sie als fortlaufende Serie zu veröffentlichen. Für ein Themenheft entschloss ich mich, weil auf diese Weise direkte Vergleiche zwischen verschiedenen Seminartypen, Absichten und Darstellungsformen möglich sind. Das Echo auf meine Anfragen war positiv, und so bietet das hier vorgelegte Heft sechs Beiträge, die von ganz unterschiedlichen musikpädagogischen Seminaren berichten.
Überraschend war für mich, dass sie alle in mehr oder weniger konkreter Weise mit Musikunterricht zu tun haben. Einige wurden als Begründung und Vorbereitung von Unterricht durchgeführt. Andere enthalten unterrichtliche Erprobungen als eine Art von Zwischenstücken, die anschließend wieder in die Seminararbeit münden. Noch andere wählen Unterrichtvorhaben als Beispiele für die Erörterung grundsätzlicher Fragen zum Unterricht, zur Unterrichtsvorbereitung, zur Arbeit der Lehrer ... 
Die zweite Überraschung bestand darin, dass alle Beiträge zu diesem Thema Mischungen und Beziehungen zwischen theoretischen und angewandten Teilen enthalten bzw. aus solchen Mischungen bestehen und sie auch reflektieren. Theorieseminare in Reinformen, wie sie vor allem in den siebziger und achtziger Jahren angeboten wurden, scheinen der Vergangenheit anzugehören, wie übrigens auch solche Seminarvorhaben, die direkt und umstandslos aus Unterrichtsübungen und Übungen zum Lehrerverhalten im Unterricht bestehen. Die „gemischte“ Seminarform kann freilich der kleinen Zahl geschuldet sein. Drittens verbindet die hier zusammen- gestellten Beiträge der Gedanke, etwas Besonderes vorzuführen – ein nicht alltägliches Thema, ungewöhnliche Methoden (des Seminars wie des Unterrichts), unübliche Formen der studentischen Beteiligung.
Beim genaueren Studium der Beiträge wurde mir klar, dass mit der kritischen Darstellung musikpädagogischer Seminare ein besonderes Anliegen der Zeitschrift „Diskussion Musikpädagogik“ verdeutlicht werden kann – nämlich der begründete und reflektierte Zusammenhang zwischen musikpädagogischer Theorie auf der einen Seite, z. B. in Form der Diskussion von Konzepten, von Zielsetzungen, von Vorstellungen ästhetischer und musikalischer Bildung, vom Verhältnis zwischen praktischem Handeln und Reflexion auch als Anliegen des Unterrichts, und dem Bereich der beruflichen und musikalischen Anwendung auf der anderen Seite. Mit anderen Worten: Eine der Aufgaben, denen unsere Zeitschrift verpflichtet ist, besteht in Darstellung und Erörterung musikpädagogischer Theorie und ihrer Konfrontation mit ihrer Geltung und Nützlichkeit für die Anwendung in beruflichen Zusammenhängen, für die die musikpädagogische Theorie – so frei sie sich zunächst entfalten soll – Fundamente und Hilfen anzubieten gehalten ist. 
Häufig ist die geglückte Verbindung beider Seiten des Faches eine Frage der sprachlichen Darstellung, und deshalb ist „Diskussion Musikpädagogik“ auch der verständlichen Vermittlung beider Seiten des Faches verpflichtet. Auch für diese spezielle Aufgabe erweist oder erwies sich die Darstellung und Kritik von musikpädagogischen Seminaren als hilfreich, weil alle (mehr) theoretischen Überlegungen gleichsam für die Anwendung da sind und weil umgekehrt die Fragen der praktischen Anwendung gut begründet sein müssen.
Diese Überlegungen führen dazu, das hier durchgeführte Thema über die musikpädagogische Seminararbeit in der Musiklehrerausbildung in eine Serie zu überführen, für die wir in den kommenden Ausgaben Platz bereithalten. An unsere Leserinnen und Leser ergeht daher der Appell und die Einladung, für diese Serie Beiträge einzusenden.
Noch etwas anderes fällt mir an der Darstellung der musikpädagogischen Seminare auf. Das Studienfach Musikdidaktik (in manchen Hochschulen: Musikpädagogik) hat – oder hatte ursprünglich – eine koordinierende und zusammenfassende Funktion innerhalb des Musiklehrerstudiums. Das hat seinen guten Grund darin, dass die Musiklehrer später in ihrem Beruf alle einzeln angebotenen Fächer, die ja zumeist eifersüchtig ihre Besonderheit verteidigen, zu einem Ganzen zusammenbinden und als Zusammenhang vermitteln müssen. Je mehr sich alle Einzelfächer, die sich noch dazu auf wundersame Weise dauernd vermehren, verselbständigen und sich wenig um ihre gegenseitig dienstleistenden Nachbarn kümmern, desto weniger werden die Studierenden in die Lage versetzt, die Einheit des musikalischen Handelns und Denkens im Unterricht zu erleben und zu verwirklichen. 
Vielfach scheint die Musikdidaktik ihre zusammenfassende und auf Kooperation zielende Funktion verloren zu haben. Man kann – im Gegenteil – beobachten, wie sehr sich auch dieses Studienfach zu einem Spezialfach entwickelt, je nachdem, auf welchen Steckenpferden die Hochschullehrer gerade reiten.  
Auch diesen Aspekt der Musiklehrerausbildung zu erörtern – die Zusammengehörigkeit der Ausbildung, die der mehr oder weniger umfeldblinden Verselbständigung entgegentritt – versteht die Zeitschrift „Diskussion Musikpädagogik“ als ihre besondere Aufgabe.

 

Christoph Richter

DMP 32: Musikpädagogische Seminare in der Lehrerausbildung

Artikelnummer: DMP-Heft-32
13,40 €Preis
inkl. MwSt. |
  • Das Wort zum vierten Quartal

    • Christoph Richter
      Zentralabitur Pro & Contra

    Musikpädagogische Seminare in der Lehrerausbildung

    • Anne Niessen
      Musiklehrer werden, sein und bleiben – Profession und Persönlichkeit in Ausbildung und Berufsalltag
      Ein musikpädagogisches Seminar in der Ausbildung von Musiklehrern für Grund-, Haupt- und Realschulen an der Universität zu Köln
    • Heinz Geuen
      „...schon wieder Perlen!?“
      Studierendenorientierung als Herausforderung für die musikpädagogische Lehre
    • Hans Schneider
      Konzerteinführung als Ausgangspunkt für ein musikdidaktisches Seminar
    • Uve Urban
      Möglichkeiten ganzheitlichen Lernens im Musikunterricht
    • Gerhard Sammer
      Musikdidaktische Seminare in der MusiklehrerausbildungThesen und Modelle
    • Peter Imort
      „Lebenswelt Hochschule“
      Medienästhetische Erkundungen in einem interdisziplinär angelegten Seminar

    Musikpädagogische Forschung – Freie Beiträge

    • Maria Wurm
      Türkische Musik in Deutschland
      Das Unterhaltungsmedium einer Parallelgesellschaft?
    • Jörg Eggeling
      Eine „Grusel-Rock“-Band gewinnt beim European Song Contest
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