Musiklernen und Kompetenzerwerb (II) – Verstehen und interpretieren von Musik
Liebe Leserinnen und Leser,
nach unserer Planung sollte in dieser Ausgabe das Thema „Musikpädagogische Reflexionen in der 2. Ausbildungsphase“ behandelt werden. Doch dann erhielten wir mehrere wichtige Reaktionen auf den Beitrag der vier Kollegen J. Bähr, S.Gies, O. Nimczik und W. Jank „Kompetenz vermitteln – Kultur erschließen“, sodass sich ein Verschieben des ursprünglichen Themas für Heft 21 anbot.
Im genannten Beitrag von Bähr u. a. ging es um eine Begründung, Erörterung und Forderung, den Musikunterricht auf die Vermittlung von Kompetenz und die Erschließung von Kultur zu stellen.
Diesem Konzept begegnete Wulf Dieter Lugert schon in Heft 19 mit Zweifeln an seiner Neuheit. Henning Scharf hatte im 1. Teil seines Beitrags, dessen Fortsetzung hier erscheint, den Begriff der Kompetenz einer Kritik unterzogen. Wolfgang Martin Stroh wertet das Konzept als ein „taktisches Programm im Rahmen der Selbstverteidigung von Musikunterricht“, von dem er hofft, dass es die Bildungspolitiker von der Wichtigkeit des Faches überzeugt. Als „Programm für den Musikunterricht an allgemein bildenden Schulen“ hält er das Konzept für nicht geeignet. Thomas Ott setzt sich, bei Zustimmung zu den Hauptthesen des Konzepts mit drei Probleme auseinander: die Analogie zwischen Schriftspracherwerb und Musiklernen, einer konzeptionellen Neuorientierung und mit der Umgehung des ‚Faktors Schüler’, hier Stroh beipflichtend. Almut Süverkrüb trägt einige Richtigstellungen des Gordonschen Konzepts zum Musiklernen vor. Sie ist davon überzeugt, dass Musiklernen à la Gordon sich mit den weitgehenden Zielen des allgemein bildenden Musikunterrichts verbinden lässt. Meinhard Ansohn beklagt die Begriffsspielereien in den Beiträgen von Bähr u. a. und von Henning Scharf und ruft zu mehr Pragmatismus und Unterrichtsnähe auf.
Henning Scharf begegnet den Thesen zur Vermittlung oder zum Erwerb musikalischer Kompetenzen aus der Sicht des Konstruktivismus, der, auf eine einfache Formel gebracht, den Aufbau der Wirklichkeit in die Hände der Subjekte gibt.
Christine Stöger erläutert anhand eines Modells der „Ebenen des Musiklehrerberufs“ (Organisation, Rolle, Verhalten, Werte, Person) die besonderen Aufgaben eines Unterrichts und einer Lehrtätigkeit, die es mit Kunstgegenständen zu tun hat.
Marc Mönig widmet sich in seinem Beitrag „Internet und Wissenschaftspropädeutik. . .“ Überlegungen und Möglichkeiten, die unterstützende Arbeit mit dem Internet auf ein Niveau zu bringen, das dem wissenschaftlichen Anspruch der gymnasialen Oberstufe genügt.
In unserer Serie „Musikpädagogik in anderen Ländern“ stellt Frede Nielsen/Kopenhagen einen Entwurf der Forschungsgegenstände und –interessen der skandinavischen Musikpädagogik vor. Charlotte Fröhlich hat den Text übersetzt und mit einer Einleitung versehen.
Der Beitrag von Bernhard Strunz „Musik-Unterricht im europäischen Pluralismus des 21. Jahrhunderts – Versuch einer Zielbestimmung“ ist als Gegenentwurf jener Zielbestimmung des Musikunterrichts zu verstehen, den Herbert Bruhn in „Diskussion Musikpädagogik“ Heft 12/2001 vorgelegt hat.
Aus Österreich veröffentlichen wir die Darstellung eines Forschungsprojektes zum musikalischen Erinnerungsvermögen, welches an der Abteilung Musikpädagogik in Innsbruck (Mozarteum Salzburg) durchgeführt wird. (Arnim Langer und Martin Waldauf).
Mit Musikwerken beschäftigen sich diesmal zwei Beiträge: Peter Schleuning verdeutlicht die Abhängigkeit des Verstehens von Musik von historischen Voraussetzungen und Interessen zu sechs Möglichkeiten, den Sinngehalt des Eingangschores der Bachschen Johannespassion zu erschließen: an den Interpretationen von Albert Schweitzer (1908), Philipp Spitta (1916), Rudolf Steglich (1935), Alfred Dürr (1988), Martin Geck (1991) und von sich selbst. So ergibt sich für Schleuning die Frage, ob sich die Verhältnisse der chronologischen Ferne auch auf die heutige Rezeption historischer Musikwerke übertragen lässt.
Christoph Stange zieht einen Vergleich zwischen zwei Songs von Heinz Rudolf Kunze, die sich mit dem Tod bzw. dem Sterben beschäftigen.
Das Magazin enthält u. a. zwei wichtige Rezensionen. Die eine behandelt die neue Schrift von Estelle Jorgensen aus Bloomigton/Indiana. Sie entwickelt ein Konzept für eine grundlegenden Neuorientierung der Musikpädagogik in den USA. Alexandra Kertz-Welzel gibt zum besseren Verständnis einen Einblick in den bisherigen Stand des Musikunterrichts in Amerika.
In der im Junker-Verlag erschienenen Reihe „Schüler im Konzert“ hat Karl Heinrich Ehrenforth eine Interpretation der 1. Sinfonie von Johannes Brahms veröffentlicht. Sie ist als eine Serie von Briefen an eine junge Dame gehalten und enthält Darlegungen zum persönlichen Erleben der Musik, zur Entstehung und zum Kontext der Sinfonie und knappe musikalische Sachverhalte. Diese ungewöhnliche Interpretation haben wir zwei Kollegen (Peter Becker und Clemens Kühn) mit der Bitte um Rezension geschickt, die für Fragen der Interpretation von Musik in unterschiedlicher Weise kompetent sind. Als dritter Rezensent meldet sich Werner Hahn zu Wort.
Christoph Richter
DMP 20: Musiklernen und Kompetenzerwerb (II) – Verstehen und interpretieren ...
Repliken auf den Beitrag „Kompetenzen vermitteln - Kultur erschließen“ in Heft 19/2003
- Wolfgang Martin Stroh
„Musik lernen“ – ein taktisches Programm, das Fragen aufwirft - Meinhard Ansohn
Kompetenzen und Standards – die ersten Flachpässe der Bildungsdebatte im 21. Jahrhundert - Thomas Ott
Welche Kompetenz? Welche Kultur? - Almuth Süberkrüb
Anmerkungen
Anmerkungen zu den Artikeln „Kompetenz vermitteln – Kultur erschließen“ und „,Musiklernen’ – Ein neues Konzept?“ - Henning Scharf
Vermittlung oder Erwerb musikalischer Kompetenzen? (Teil II)Anmerkungen aus konstruktivistischer Perspektive
Das Internet im Musikunterricht
- Marc Mönig
Internet und Wissenschaftspropädeutik im Musikunterricht der gymnasialen Oberstufe
Musiklehrerausbildung
- Christine Stöger
Die Ebenen des Musiklehrberufes
Musikpädagogische Forschung
- Bernhard Strunz
Musik-Unterricht im europäischen Pluralismus des 21. Jahrhunderts
Versuch einer Zielbestimmung - Armin Langer & Martin Waldauf
Na, weil`s Spaß macht!Pilotstudie zum musikalischen Erinnerungsvermögen
Innsbrucker Institut für Musikpädagogik, Universität Mozarteum Salzburg
Musikpädagogik in anderen Ländern
- Frede V. Nielsen (Kopenhagen)
Einblicke in die musikpädagogische Forschung Skandinaviens
(Einführung und Übersetzung: Charlotte Fröhlich)
Alte und neue Bekanntschaften mit Musik
- Peter Schleuning
„Verstehen“ von Musik
Zugänge zu Musik von 1908 bis heute, erörtert am Eingangschor der Johannespassion von Johann Sebastian Bach - Christoph Stange
Abschied vom Leben - Leben im Abschied
Zwei Songs von Heinz Rudolf Kunze
- Wolfgang Martin Stroh